Presse:2003 12 13: Stuttgarter Nachrichten über Klopfzeichen...
Solitude-Premiere: "Klopfzeichen. Leuchtfeuer. Rauchsignale."
Ungehörte Worte aus Holz
von Horst Lohr
Von der Decke hängen ein paar armdicke Kabel. Ihre einzelnen Adern: abgerissen. Aufdringlich klingelt das Telefon an der Wand, doch niemand ruft an. Ein Mann im Schmuddellook des Obdachlosen klemmt sich scheu an einen von drei Tischen. Während er die Tastatur eines Laptops zu bearbeiten beginnt, betritt eine junge Frau den Raum. Mit energischem Schritt und ohne den Anwesenden zu beachten, strebt sie zielsicher auf einen zweiten Tisch zu. Bohrt den suchenden Blick in den Bildschirm eines weiteren Laptops. Irgendwann beginnen die beiden zu sprechen. Im Wechsel sondern sie "Worte aus Holz" ab. Doch beide reden nicht miteinander, sondern sind offenkundig darauf konditioniert, hinter dem Computer dem Computer und der Wand aus Zuschauern mit dem Du des Niemand zu kommunizieren.
"Klopfzeichen. Leuchtfeuer. Rauchsignale" nennt Klaus Fehling seine Materialskizze", entstanden im Rahmen seines Stipendiats in der Akademie Schloss Solitude. Drei bemerkenswert bildkräftige Monologe als Innenansichten der vergeblichen Sehnsucht, wahrgenommen zu werden. Die von Marcel Keller, dem Regisseur des "Stuttgarter Hutzelmännleins" inszenierte und ausgestattete Uraufführung entwickelt daraus dichte Miniaturen der Sprachlosigkeit. Die Atmosphäre des Raumes, einer Art Internet-Cafe, signalisiert ein gespenstisches Endzeit Szenario: Ungesehen verweht das wechselnde Helldunkel kalter Lichtzeichen als nonverbaler Ruf nach einem Gegenüber. Ungehört verhallen auch die Worte der beiden am Tropf ihrer Headsets hängenden Protagonisten.
Katja Bürkle und Michael Stiller, die beiden Darsteller vom Schauspiel Stuttgart, finden die für dieses Theaterexperiment angemessenen leisen Töne der Zwangsläufigkeit. Der Mann wird als ängstlich verschüchterter "Pinocchio" zurückbleiben. Die junge Frau, desillusioniert von der Erkenntnis, "mitten im Geschwür" zu sitzen, treibt es in die Gewalt.
